Romane

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Jessica Harms ist begeistert von
Jenna Blum, Die uns lieben, Aufbau Verlag, 19,95 €
blumDer historische Roman von Jenna Blum fesselt von der ersten Seite trotz oder gerade aufgrund des ungewöhnlichen Schreibstils. Erzählt werden die Geschichten zweier Frauen, auf zwei Zeitebenen. Zum einen geht es um Anna, welche zu Beginn des Zweiten Weltkriegs als junge Frau in Weimar lebt. Sie kümmert sich widerwillig um ihren herrischen Vater, einen Sympathisanten der NSDAP. Trotz des Vaters Bemühungen, sie mit jemandem aus der Partei zu verheiraten, verliebt sich Anna in den jüdischen Arzt Max, der für ein Widerstandsnetzwerk arbeitet. Sie beginnt eine Affäre mit ihm, doch als sie schwanger wird und der Vater sie verstößt, flieht sie zur Bäckerin Mathilde, ebenfalls Teil des Netzwerks. Mathilde bekommt Mehl und Eier von den Nazis um die Offiziere mit Gebäck zu versorgen, heimlich backt sie aber ebenfalls Brot, welches sie und Anna zu den Häftlingen ins KZ schmuggeln. Als jedoch auch das auffliegt, muss Anna eine schwierige Entscheidung treffen, um ihre kleine Tochter zu schützen…
Der zweite Handlungsstrang dreht sich um eben diese Tochter, Trudy. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1996 und Anna und Trudy leben nun in den USA. Zur Beerdigung des Vaters kommt Trudy nach längerem zurück auf die Farm ihrer Mutter, wo diese in Abgeschiedenheit lebt. Die Spannung zwischen den beiden Frauen ist förmlich greifbar, denn Anna schweigt sich seit Jahrzehnten über ihre Vergangenheit in Deutschland aus. Als Trudy jedoch über ein altes Foto stolpert, zieht sie ihre eigenen, falschen Schlüsse und beschließt, die Sache selber in die Hand zu nehmen und die Vergangenheit zu ergründen….
Ein mitreißender Roman über Verrat, Schuldgefühle, Vergangenheitsbewältigung und die Hoffnung auf zweite Chancen. Besonders zu empfehlen für Fans historischer Romane und verzwickter Familiengeschichten!

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Am letzten Tag ihres Praktikums verabschiedet sich Julia Strack heute mit 2 weiteren Buchempfehlungen!
Zuerst ein sehr eindrucksvoller Roman aus dem Wagenbach Verlag:
Assani-Razaki, Ryad: Iman, Wagenbach, 22,90€

Ryad Assani-Razakis aufwühlender Roman erzählt aus verschiedenen Perspektiven die Lebensgeschichten dreier junger Menschen in einem Land, das von Armut, Kriminalität und Gewalt geprägt ist. Freundschaft und Liebe stehen hier ebenso auf der Tagesordnung wie Hass und Verrat. Von den Eltern verstoßen oder verkauft, müssen sie selber sehen, wie sie zurecht kommen. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie sich als Tagelöhner. Schon früh werden sie damit konfrontiert, was es heißt, ein Leben am Rande der Gesellschaft zu führen. Trotz allem wollen diese jungen Leute hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Sie alle träumen von einem besseren Leben. Doch ist das hochgelobte Europa wirklich der rettende Ausweg? Was am Ende aus ihnen wird, bleibt offen.
Eine bewegende Geschichte, nicht leicht zu verdauen, aber absolut lesenswert!

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Zu Nr. 2 bleibt nicht viel mehr zu sagen als: Viel Spaß beim Lesen!

Ein herzerfrischender Roman über einen vereinsamten alten Mann, der das Leben für sich neu entdeckt. Manchmal braucht es einen Unfall, einen unverhofften Retter und ein kleines lästiges Mädchen, um zu entdecken, dass das Leben doch gar nicht so schlimm ist wie man gedacht hat. So jedenfalls ergeht es Jean-Pierre, der bei einem Unfall in die Seine stürzt und dabei beinahe sein Leben lassen muss, wäre da nicht Camille gewesen. Der schwule Student, dessen Lebensstil so gar nicht zu Jean-Pierres Ansichten passen mag. Auch die 14-jährige Maëva, die ungefragt in sein Zimmer platzt und „nur mal eben was auf facebook checken“ will, bringt seine Vorstellungen vom Leben vollkommen durcheinander. Der alte Mann muss feststellen, dass Vorurteile eben doch oft nur Vorurteile sind und unliebsame Krankenschwestern sogar ungemein nett sein können.
Ein kurzweiliges Lesevergnügen, urkomisch und unglaublich liebenswert!

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Svenja Leiber: Das letzte Land, Suhrkamp, 19,95 €
Von Farben und Klängen
4148Anfang des 20. Jahrhunderts im deutschen Norden. Ruven Preuk, jüngster Sohn des Stellmachers, verfügt schon als Kind über eine außerordentliche musikalische Begabung: Er sieht Töne, und auf seiner Geige spielt er sonderbare Melodien.  Er steht zwischen Feld und Allee und zählt den Takt, den das Licht und die Pappeln ihm schlagen – hell, dunkel, hell. Er dirigiert.
Das bringt ihm auf dem Dorf, wo das Leben hart und einfach ist, nicht nur Bewunderung ein. Die Dorffrauen denken während sie in der Hitze pflücken und sammeln „nur mit Rumstehen und Gefuchtel wird der Korb nicht voll.“ Schließlich erkennt auch der alte Preuk, dass mit seinem Sohn nichts anzufangen ist. Verzweifelt versucht er ihm die Töne aus dem Leib zu prügeln. Dann lässt er ihn ziehen.In der Stadt lernt Ruven beim Juden Goldbaum, in dessen Enkelin Rahel er sich ebenso verliebt wie in den Glauben an eine strahlende Karriere. Kunst bedeutet Freiheit und Anerkennung, aber die Nazis legen schon die Gewehre an. Als sein Durchbruch unmittelbar bevorsteht, reißt der Zweite Weltkrieg Deutschland in den Abgrund. Und Ruven muss erneut seinen Weg finden, am Ende aller Melodien.Der Roman von Svenja Leiber besticht durch seine klare, bildhafte  Sprache und durch seinen individuellen Klang. Man spürt schon auf der erste Seite die Hitze, den Staub, das einfach Dorfleben und sieht dazwischen den Junge Ruven, der die Farben und Klänge des Landes dirigiert. Man kann nicht aufhören zu lesen, weil man hineingesogen wird in das Schicksal von Ruven, den Dorfbewohnern und  Deutschland.
Unbedingt lesenswert!Katrin Reichardt
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Julia Strack absolviert bei uns in ihren Semesterferien ein Praktikum – und empfiehlt …
Eine unerwartete Erbschaft bringt das Leben des jungen Studenten Tristan vollkommen durcheinander. Er erfährt, dass er möglicherweise ein direkter Nachfahre des englischen Soldaten und Bergsteigers Ashley Walsingham ist. Dieser trifft in den Anfangstagen des Ersten Weltkrieges auf die schöne Imogen und findet in ihr seine große Liebe. Ihr gemeinsames Glück währt jedoch nur fünf Tage: Ashley muss an die Front.
Beide können einander nicht vergessen und bleiben in engem Briefkontakt verbunden. Doch nach einem einzigen Wiedersehen noch während des Krieges verschwindet Imogen plötzlich und verwischt alle Spuren, die zu ihr führen könnten. Nach dem Krieg begibt Ashley sich vergeblich auf die Suche nach Imogen, die nichts von sich hören lässt.
Dennoch vermacht er ihr sein gesamtes Vermögen, das achtzig Jahre später möglicherweise Tristan zufallen könnte. Dieser versucht, dem Geheimnis um seine Abstammung auf den Grund zu kommen und macht sich auf die Suche nach den Wurzeln seiner Familie. Nur wenn er das Rätsel löst, wird er die Erbschaft antreten können. Die Zeit läuft Tristan davon: Ihm bleiben zwei Monate, bis das Vermögen für immer verloren ist.
Als Leser begleiten wir Tristan bei seiner Reise quer durch Europa, von England über Schweden nach Frankreich, durch Deutschland bis hinauf nach Island. Bei seiner Suche kommt er nicht nur dem Rätsel um das Vermögen jeden Tag ein Stückchen näher sondern auch sich selbst.
Justin Gos faszinierendes Debüt erzählt die Geschichte einer Liebe, die auch Jahre später noch in ihren Bann zieht. Abwechselnd berichten kurze Episoden von den Geschehnissen der Vergangenheit und den Ereignissen während Tristans Reise. Der Roman bietet mehr als der Klappentext vermuten lässt: Go hat Liebes- und Abenteuergeschichte gekonnt miteinander verknüpft und historische Hintergründe gut recherchiert. Es geht um wichtige Entscheidungen, die gesellschaftliche Stellung der Frau und die Erkenntnis, dass das Leben oft anders verläuft als man es geplant hat. Ein wunderbarer Roman, der uns mitnimmt auf eine spannende Reise durch die Zeit.
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Zugegeben: Erst wollte ich Das größere Wunder von Thomas Glavinic (Hanser, 22,90 €) nur lesen, weil es von der Besteigung des Mount Everest handelt. Und der hat mich schon immer fasziniert.
Aber dann hat auch die Geschichte des Protagonisten Jonas mich in den Bann gezogen und einige durchgelesene Nächte gekostet: Jonas ist Tourist in der Todeszone. Er nimmt an einer Expedition zum Gipfel des Mount Everest Teil und wächst über seine körperlichen und geistigen Grenzen hinaus. Die Schmerzen, die Zustände in den Lagern, die mentale und körperliche Situation lässt er uns hautnah mitspüren. Gezeichnet von dem Sauerstoffmangel und den klimatischen Bedingen lässt er sein Leben Revue passieren und man versteht, warum er sich auf dieser lebensgefährlichen Mission befindet. Es geht auch um Jonas‘ große Liebe, die ihn verlassen hat.
Aber ganz von vorne: Das größere Wunder ist die Geschichte eines Jungen, der mit seinem geistig behinderten Zwillingsbruder Mike erst bei seiner alkoholkranken Mutter lebt. Dann aber hat er das Glück mit seinem besten Freund Werner und Mike bei Picco – einem dubiosen Geschäftsmann – aufzuwachsen.
Die Kindheit der drei ist unbeschwert und unkonventionell – und findet jäh ein Ende, als erst der Zwillingsbruder, Picco und schließlich Jonas‘ bester Freund Werner sterben.
Entwurzelt macht sich Jonas auf die Reise zu sich selbst. Ruheloss duchstreift er über hundert Länder, schließt sich zweimal für jeweils zwei Jahre in einer Wohnung in Rom ein. Kauft schließlich eine Tokio und lässt sich von seiner großen Liebe Marie ein Baumhaus bauen. Als sie ihn verlässt, schließt er sich der Expedition an – und über all den Rückblenden, Überlebenskampf steht der Gedanke an Marie.Das größere Wunder vereint einen Liebesroman, Expeditionsbericht und Rückblicke auf ein Leben jenseits des Alltäglichen. So gepackt hat mich schon lange kein Roman mehr!
Katrin Reichardt
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quebert

Was für ein Buch! 725 Seiten, die es in sich haben!

Genial komponiert: Zeitsprünge, Perspektivwechsel, rasantes Tempo … und dabei entwickelt es einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Joel Dicker ist mit seinem Debüt Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert (Piper, 22,90 €) ein ganz großer Wurf gelungen.
Er schreibt über die Liebe und die Literatur, über Schreibhemmungen, über das Leben in der Kleinstadt, über verkorkste Existenzen, über die Suche nach dem Glück und nicht zuletzt über einen aufsehenerregenden Kriminalfall!
Gut, im Mittelteil hätte der zuständige Lektor den Rotstift ein bisschen strenger ansetzen können, um Redundanzen zu vermeiden, aber bei einem so schwungvollen Einstieg und einem solch furiosen Ende ist das wirklich auch verzeihbar.
Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen. Vier Tage lang war der junge Autor Marcus Goldman, Protagonist des Romans,  in jeder freien Sekunde und jeder schlaflosen Stunde in der Nacht mein Begleiter. Vor wenigen Minuten habe ich die letzte Zeile gelesen. Ich bin berührt, bewegt und wünschte, ich hätte noch einmal 725 Seiten vor mir!
Katia Simon
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Katia Simon hat ausgelesen:
elsa-ungeheuerIch habe Astrid Rosenfelds neues Buch Elsa ungeheuer (Diogenes, 21,90 ) in weniger als zwei Tagen – an denen ich NICHT frei hatte! – regelrecht verschlungen.
Einmal angefangen, konnte ich nicht aufhören, die Wege der tragisch-skurrilen Figuren des Romans zu verfolgen.
Die titelgebende Elsa spielt eigentlich nur eine Nebenrolle, ist in diesem Entwicklungs- und Künstlerroman dennoch die Hauptfigur. – Elsa, ein kleines Mädchen mit Streichholzarmen, das nicht über die überragende Schönheit der Mutter verfügt, keinen Vater hat und von Mutter und Stiefvater bei Verwandten in der Pfalz „abgestellt“ wird, begegnet den Brüdern Lorenz und Karl Brauer. Einer der beiden verliebt sich und in beider Leben nimmt die verrückte Elsa mit den irren Kleidern eine bestimmende Rolle ein.
Erzählt wird die Geschichte, in deren Mitte sich ein etwa 6-jähriger Zeitsprung vollzieht, aus der Sicht von Fetti, wie Karl Brauer von Elsa als Kind genannt wird. Im ersten Teil befinden wir uns in der engen Welt des pfälzischen Dorfes, treffen die älteste Frau der Welt, einen Esel mit eigenem Zimmer, einen pädophilen Lehrer, einen hängengebliebenen Mann names Murmeltier und viele andere. Der zweite Teil des Romans verschlägt den Leser in die moderne Kunstwelt, lässt ihn an Glamour, aber auch Perversionen und Brutalität teilhaben – und der Macht weniger Einzelner.
Wie auch schon in Adams Erbe erzählt Astrid Rosenfeld sehr dicht und nah an den Menschen, nicht ohne schockierend-nackte Momente. Sie lässt hinter die Fassaden blicken und gerade das  zieht mit. Für mich ist Elsa ungeheuer ein großes Buch, das am besten für sich selbst sprechen sollte. Also: selber lesen! 😉
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Unsere Schülerpraktikantin Franziska hat Léon und Louise von Alex Capus (dtv, 9,90 €) gelesen und für gut befunden:
leon
Die Handlung von Léon und Louise spielt zur Zeit des Ersten Weltkrieges an der Atlantikküste. Das Buch hat mich sofort in seinen Bann gezogen, da es  von starken Gefühlen geprägt ist.
Als Léon Louise das erste Mal sieht, ist er sofort verzaubert. Sie hat eine lebensfrohe und direkte Art, die Léon gleichzeitig abschreckt, wie anzieht.
Die beiden verbringen eine romantische und turbulente Zeit, bis ihre Leben bei einem Bombenangriff  getrennt werden. Léon und Louise glauben den anderen tot. Es fällt beiden schwer, in die Realität zurückzukehren und ihr Leben fortzuführen. Léon gründet in Paris eine Familie und hat mit seiner neuen Frau mehrere Kinder. Doch sein Herz ist nicht frei. Immer muss er an Louise denken und was für ein Leben er mit ihr gehabt haben könnte. Als er sie plötzlich in der U-Bahn wiedersieht, ändert sich seine bisherige Welt.
Das Buch bekehrt Menschen, die an der wahren Liebe zweifeln und ist empfehlenswert für Fans von Liebesromanen mit Anspruch.
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Katrin Reichardt ist völlig begeistert von Stephan Thomes „Fliehkräfte“ (Suhrkamp, 22,95 €)
Ich habe einen neuen Lieblingsautoren! Nach „Grenzgang“ hat mich nun auch der neue Roman von Stephan Thome „Fliehkräfte“ nachhaltig beeindruckt.
Zugegeben: Fliehkräfte ist ein langsames Buch. Auch mit dem Protagonisten – Hartmut Hainbach, Professor für analytische Philosophie in Bonn- muss man sehr viel Geduld haben.
Denn er ist kein Mann von schnellen Entscheidungen. Er zweifelt an seinem Leben. Mit fast 60 Jahren weiss er plötzlich nicht mehr weiter. Seine Frau lebt seit einem Jahr in Berlin, um dort ihrem Beruf in einem Theater nachzugehen.
Die Tochter studiert in Hamburg und Spanien. Er ist ganz alleine zu Hause – für ihn sehr schwer auszuhalten. Da bekommt er das Angebot, für einen Berliner Verlag zu arbeiten. Kann er so seine Ehe retten? Soll er dafür seine Universitätslaufbahn aufgeben und auf die Rentenansprüche verzichten? Ist seine Frau in Bonn wirklich so unglücklich gewesen oder ist sie jetzt einfach nur sehr egoistisch? Oder war er in dieser Ehe immer der Egoist und Egozentriker, der von seiner Familie nichts mitbekommen hat? Was soll er machen? Will seine Frau überhaupt noch mit ihm leben?
Und so vergehen erstmal 100 Seiten, gefüllt mit Rückblenden, Zweifeln, Wein trinken, sich Gedanken machen. Bis er nach einer misslungenen Verabredung mit einer Kollegin spontan beschliest, nach Paris zu fahren, um seine College-Liebe zu besuchen.
Von dort aus fährt er weiter nach Südfrankreich, trifft einen ehemaligen Kollegen, verweilt dort ein Wochenende, um nach Spanien aufzubrechen. Dort besucht er seine Tochter und fährt dann mit ihr weiter nach Portugal zur Familie seiner Frau. Immer im Zwiegespräch mit sich selbst – viel in der Verganganheit, weniger in der Zukunft und fast gar nicht in der Gegenwart. Obwohl der Roman so kompliziert ist wie sein Protagonist, hat er mich von der ersten Seite an gefesselt.  Er fasziniert durch eine wunderschöne, leise und philosophische Sprache und ist doch zuweilen unterhaltsam und fast lustig wie ein Roadmovie.Am Ende der Reise sind Hartmut, seine Frau und seine Tochter wieder vereint. Er ist ein anderer geworden auf dieser Reise. Eine Frage bleibt aber nach wie vor offen: Hat er eine Entscheidung für sein zukünftiges Leben getroffen?

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Katia Simon empfiehlt Vom Schlafen und Verschwinden von Katharina Hagena  (Kiepenheuer Witsch, 18,99 €)

Alle, denen Der Geschmack von Apfelkernen schon gut gefallen hat, werden von Katharina Hagenas neuem Roman noch begeisterter sein. Bis zur letzten Seite  bleibt er superspannend!

Die Autorin erzählt kunstvoll und sehr geschickt miteinander verwoben die Geschichten zweier Frauen, deren Leben sich in dem kleinen Dorf Grund leicht berühren, und die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Die Schlafforscherin Ellen erinnert sich in einer durchwachten Nacht an die Geschichte ihres Lebens, an die Geschichte ihrer großen Tochter Orla und an Begegnungen, die sie geprägt haben. Der Leser ahnt bald: Es gibt ein großes Geheimnis.

Ein sensibel erzählter Roman in poetisch-schönen Bildern und mit zahlreichen Fragezeichen, die sich erst zum „Finale“ hin auflösen. Sehr spannend, sehr zu empfehlen!

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Katia Simon ist begeistert von Die Zeit, die Zeit von Martin Suter (Diogenes, 21,90€)

Meine absolute Leseempfehlung! Der neue Suter ist spannend bis zur letzten Seite und überrascht immer wieder durch unerwartete Wendungen.

Es geht um zwei Witwer, Peter Taler und seinen alten Nachbarn Herrn Knupp. Peter Talers Frau Laura wurde ein Jahr zuvor ermordet.Über ihren Tod kommt er nicht hinweg und versucht sich, durch immer gleiche Riuale zu suggerieren, Laura würde noch leben. Knupps Frau ist bereits viele Jahre zuvor an einer Krankheit gestorben.

Eines Tages fällt Peter Taler auf, dass sich in seiner Straße etwas verändert hat und kurz darauf bemerkt er, dass er als Beobachter ebenfalls beobachtet wird. Dass es mit dem alten Nachbarn zusammenhängt, merkt er schnell.
Die beiden Männer kommen in Kontakt und Knupp bittet Peter Taler um Hilfe, im Gegenzug deutet er an, Details über den Tod von Laura zu kennen. Eine ungewöhnliche Zusammenarbeit an einem großen Projekt beginnt.

Ein sehr spannender Roman,  der den Leser atemlos entlässt!

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Katia Simon hat Mayas Tagebuch von Isabel Allende (Suhrkamp, 24,95 €) verschlungen.

Die junge Maya befindet sich auf der Flucht, als sie mit bunt gefärbten Haaren auf einer Insel im äußersten Süden Chiles ankommt, und bei dem kauzigen Manuel Unterschlupf findet.

Der Leser begleitet die junge Frau Schritt für Schritt in ihre jüngste Vergangenheit und erhält Einblick in ein Leben voller Drogen, falscher Freunde und Prostitution. Dazwischen prallt Maya immer wieder mit ihrem Gastgeber zusammen und den Gepflogenheiten des chilenischen Insellebens und versucht dort, einen Ort für sich zu erobern.

Eine packende emotionale Geschichte über eine starke junge Frau, ihr sehr bewegtes Leben und ihre Herkunft.  Isabel Allendes Roman hat mich mit seiner starken Sprache und der gekonnten Komposition der Zeitsprünge rasch gepackt. Bis zum Schluss blieb ich gespannt und wurde nicht enttäuscht.

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Katia Simons Tipp:

Der Sommer ohne Männer von Siri Hustvedt (Rowohlt, 8,99€)

Traumatisiert steht die New Yorkerin Schriftstellerin Mia eines Tages der Tatsache gegenüber, dass ihr Mann eine Pause von der Ehe wünscht. Rasch kommt sie dahinter, dass sich Boris Hals über Kopf in eine Affäre mit seiner deutlich jüngeren französischen Assisstentin gestürzt hat. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Psychiatrie flieht Mia für den Sommer nach Minnesota zu ihrer Mutter, die dort in einem Altenwohnheim lebt.

Mia gibt einer Handvoll junger Mädchen einen Kurs in kreativem Schreiben, lernt die alten Freundinnen ihrer Mutter, die „Schwäne“,  und deren Geheimnisse kennen und freundet sich mit der jungen Mutter aus dem Nachbarhaus an. – Es wird ein Sommer voller Frauen!

Mia beginnt, ihre „Ehepause“ zu bearbeiten. Sie reflektiert ihr Leben, beschäftigt sich mit Lyrik, mit Philosophie … und taucht in Erinnerungen an vergangene Lebensphasen ab, um sich zu heilen.

Ein starkes Buch, das mich mit seinem behutsamen Blick und dem Zugang in die Gedankenwelt Mias fasziniert hat. Ein Porträt weiblicher Vernetzung  über Generationen hinweg.

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Katia Simons Empfehlung: Die Eismalerin von Kristin Marja Baldursdóttir (S. Fischer, 10,00 €)

Ein Roman voll starker Frauen! Vor gut 100 Jahren zieht die isländische Witwe  Steinunn Olafsdóttir einmal quer durchs Land, um ihren sechs Kindern – auch den Töchtern! – Schulbildung zu ermöglichen und ihrer Familie ein selbstbestimmtes, besseres Leben zu ermöglichen.
Als Leser begleiten wir die Familie durch die Härte des isländischen „Arme-Leute-Alltags“, salzen mit ihnen Fische, bis unsere Hände blutig sind und fühlen uns der isländischen Natur ausgeliefert.

Eine von Steinunns Töchtern entdeckt bald ihre besondere Begabung und Liebe zur Malerei und damit erwacht auch ihr Durst nach Freiheit und Unabhängigkeit. Ausgerechnet dann begegnet sie dem Seemann Sigmar: Groß und stark, charmant und gutaussehend. Karitas und Sigmar beginnen eine Beziehung voller Leidenschaft und Liebe, aber auch voller Gegensätze. Und wo andere Romane zu Ende sind, beginnt er hier erst richtig.

Eine spannende Familiengeschichte, ein begeisternder Roman über Island, über die Kunst und eine Erzählung über die Liebe. Alles in allem ein Stück wunderbare isländische Literatur, die ich aus tiefstem Herzen nur empfehlen kann.

Für alle begeisterten Leser hat Kristin Marja Baldursdóttir eine ebenfalls sehr empfehlenswerte  Fortsetzung geschrieben: Die Farben der Insel. (S. Fischer, 9,99 €)

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Von Katrin Reichhardt mit Begeisterung gelesen:

Der Duft des Regens von der Kanadierin Frances Greenslade. (Mareverlag, 19,90 €)
Dieses Buch besticht durch die klare und einfühlsame Sprache, die einerseits die Natur Kanadas und andererseits das Gefühlsleben der beiden Schwestern Jenny und Maggie beschreibt.

Die 11-jährige Maggie und die 13-jährige Jenny wachsen in einer abgeschiedenen Holzhütte in den Wäldern Kanadas auf.  Als sie nach dem plötzlichen Tod des Vaters die Blockhütte verlassen müssen, lässt ihre Mutter sie – nach mehreren Umzügen – schließlich bei Bekannten ihres Vaters zurück. Während Jenny sich gut einlebt, leidet Maggie in dem kalten, unfreundlichen Haus – in dem sie auch noch ohne ihre Katze leben muss. Sie hat Schwierigkeiten, sich in der neuen Umgebung und vor allem ohne die Mutter zurechtzufinden.

Trotzdem will sie ihre Mutter nicht suchen, auch als diese nach einigen Monaten immer noch nicht zurückkehrt.
Jenny und Maggie sind sich einig: Sie ist die Mutter und sie muss zu ihren Kindern zurückkommen!
Als es aber Jenny nach zwei Jahren sehr schlecht geht, macht sich Maggie doch auf die Suche. Die Spurensuche macht sie reifer und erwachsener und sie versteht schließlich, warum die Mutter gehen musste und nicht mehr zurückkommen konnte. Mit diesem Wissen kann sie auch Jenny weiter helfen. Beide finden einen Weg, ohne die Mutter ihr Leben zu meistern.

Der Duft des Regens hat mich von der ersten bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen. Traumhaft schön sind die Beschreibungen der Wälder Kanadas und auch die Erklärungen des Vaters und der Mutter an die Töchter, wie man in der Wildnis überlebt, sich einen Unterstand baut, orientiert, den Geistern aus dem Weg geht, haben mich sehr fasziniert.
Der Prozess des Erwachsenwerdens der beiden Schwestern ist mit viel Empathie beschrieben und man fühlt sich als Begleiter der Mädchen auf ihrem Weg durch das Leben.

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Katrin Reichhardts Empfehlung:

Zu meinen absoluten Favoriten dieses Sommers gehört Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry (Krüger, 18,99 €) von Rachel Joyce.
Eigentlich wollte er nur zum Briefkasten. Dann geht er 1000 Kilometer zu Fuß.
Harold Fry ist Rentner und lebt mit seiner Frau Maureen in Südengland. Eines Morgens erhält er einen Brief seiner ehemaligen Arbeitskollegin Queenie Hennessy, von der er seit 20 Jahren nichts mehr gehört hat. Queenie hat Krebs und lebt in einem Sterbehospiz an der schottischen Grenze.
Für den Leser (noch) überraschend, bringt diese Nachricht Harold sehr durcheinander und er weiß nicht so recht, wie er damit umgehen soll.
Er schreibt einen kurzen Brief an Queenie mit Genesungswünschen, nimmt Jacke und Geldbörse und macht sich auf zum nächsten Briefkasten.
Eigentlich will er nur kurz den Brief einwerfen, doch dann läuft er am Briefkasten vorbei und auch am Postamt; aus der Stadt hinaus und immer weiter, 87 Tage, 1000 Kilometer. Zu Fuß von Südengland bis an die schottische Grenze zu Queenies Hospiz. Eine Reise, die er jeden Tag neu beginnen muss. Für Queenie. Für seine Frau Maureen. Für seinen Sohn David. Für sich selbst. Und für uns alle.

Er hinterlässt eine Botschaft für Queenie: „Ich bin auf dem Weg. Du musst nur durchhalten. Ich werde Dich retten, Du wirst schon sehen. Ich werde laufen, und Du wirst leben.“

Ein ganz außergewöhnlicher Roman, der mich sehr berührt hat. Eine Geschichte, die langsam und ruhig beginnt und einen dann mitreißt mit jedem Kilometer, den Harold Fry in seinen Segeltuchschuhen zurücklegt.
Er nimmt uns mit auf seine Reise durch England und durch sein Leben. Wir erfahren Geheimnisse, erleben besondere Momente, zufällige Begegnungen – und viele überraschende Wendungen.

Am Ende lässt uns Harold Fry mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück und mit dem Gefühl, einen Freund gefunden zu haben.
Dieses Buch gehört eindeutig zu der Kategorie „kann man garnicht schnell genug lesen – und – kann man garnicht langsam genug lesen“, um das Ende hinauszuzögern.

Wer auch Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand verschlungen hat, der wird dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen.

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